Urheberrecht

(aus: Rechtsfragen bei E-Learning Ein Praxis-Leitfaden von Rechtsanwalt Dr. Till Kreutzer, http://www.mmkh.de/upload/dokumente/Leitfaden_E-Learning_und_Recht_creativecommons_MMKH.pdf CC

1. Was schützt das Urheberrecht?
1.1 Das Werk als Schutzgegenstand des Urheberrechts
Das Urheberrecht schützt Werke, worunter nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) „persönlich geistige Schöpfungen“ verstanden werden1. Hierunter fallen nicht etwa nur die kreativen Leistungen der Wissenschaft oder Hochkultur, sondern auch alltäglich anmutende Durchschnittserzeugnisse (z. B. Presseartikel, Stadtpläne, technische Zeichnungen, einfache Computerprogramme). Auf die Qualität oder den (ästhetischen oder künstlerischen) Wert kommt es ebenso wenig an wie auf die Art des Werkes. Das Urheberrecht schützt generell jede Art ästhetischer geistiger Schöpfungen. Folgende Werkarten fallen unter anderem unter den Urheberrechtsschutz: Texte Musik Fotos Computerprogramme Datenbanken Filme Werke der bildenden Kunst Wissenschaftliche Werke Multimediawerke
1.2 Individualität und Schöpfungshöhe
Das bedeutet nicht, dass jeder Text, jedes Computerprogramm oder jedes Musikstück tatsächlich urheberrechtlich geschützt ist. Vielmehr setzt der Urheberrechtsschutz das Überschreiten einer gewissen Bagatellschwelle voraus, die „Schöpfungshöhe“ genannt wird. Das Urheberrecht schützt Werke nur, wenn sie ausreichend „individuell“ sind. Erreicht eine geistige Leistung das
1 Neben den Urheberrechten werden die Rechte an geschützten Leistungen (sog. „Leistungsschutzrechte“) eher eine untergeordnete Bedeutung spielen. Mögliche Relevanz könnten v. a. die Leistungsschutzrechte an Lichtbildern (also einfachen Fotos, die keinen Urheberrechtsschutz genießen) haben. Auch Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben, ausübende Künstler, Tonträgerhersteller oder Datenbankhersteller genießen Leistungsschutzrechte, die jedoch für den vorliegenden Kontext nur in Sonderfällen von Interesse sein werden. Da die leistungsschutzrechtlichen Vorschriften (die auch im UrhG geregelt sind) weit gehend mit den urheberrechtlichen übereinstimmen, wird hierauf nur bei relevanten Abweichungen ausdrücklich eingegangen.
Die Liste ist nicht abschließend.
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erforderliche Mindestmaß an Individualität (man könnte auch „Originalität“ sagen) nicht, kann sie frei von jedermann verwendet werden, wenn sie nicht ausnahmsweise anderweitig geschützt ist2. Allerdings sind die Anforderungen an die schöpferische Leistung des Urhebers in der Regel sehr gering. Zumeist wird ein minimaler Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung einer Idee oder eines Stoffs oder eine gewisse kreative Auswahlleistung bei der Sammlung und Anordnung des Materials ausreichen, um den Urheberrechtsschutz zu eröffnen. Die Grenze zur Schutzfähigkeit ist dabei fließend; sie einzuschätzen ist selbst für Rechtsexperten häufig sehr schwierig. Merke: Wer fremde Werke verwendet, sollte im Zweifel eher davon ausgehen, dass sie urheberrechtlich geschützt sind. Die Anforderungen an den Urheberrechtsschutz sind generell gering, die Einschätzung, ob Texte, Bilder oder Musikstücke ausreichend „individuell“ im urheberrechtlichen Sinne sind, ist meist sehr schwierig.
Vor allem bei Fotos ist zu beachten, dass diese nicht nur durch das Urheberrecht, sondern auch das sog. Lichtbildrecht geschützt sein können. Bei dem Lichtbildrecht handelt es sich um ein verwandtes Schutzrecht (auch Leistungsschutzrecht genannt), also ein dem Urheberrecht ähnliches Recht3. Das Lichtbildrecht unterscheidet sich vom Urheberrecht einerseits durch einen geringeren Schutzbereich und eine kürzere Schutzdauer (50 Jahre). Andererseits sind die Anforderungen an den Schutz geringer, er besteht unabhängig davon, ob ein Foto „individuell“ oder „besonders“ ist. Damit sind gewissermaßen alle Fotografien geschützt, was z. B. auch für die millionenfach im Internet zu findenden, simplen Produktaufnahmen, Fotos von Speisen oder Handy-Schnappschüsse gilt. Auch die Einzelbilder eines Films oder einer Fernsehsendung sind für sich genommen schutzfähig. Jedes einzelne Bild unterliegt zumindest dem Lichtbildrecht, was bedeutet, dass selbst kurze Filmausschnitte nicht ohne weiteres verwendet werden können. Generell gilt, dass auch Werkteile, also mehr oder weniger kleine Ausschnitte von Texten, Musikstücken oder Grafiken, Schutz genießen können. Die Anforderungen sind dieselben wie bei vollständigen Werken. Das bedeutet, dass Werkteile geschützt sind, wenn sie für sich genommen „individuelle Schöpfungen“ darstellen. Ob dies gegeben ist, hängt stets vom Einzelfall ab. Eine starre Grenze gibt es nicht. Gerüchte, nach denen Teile von Musikstücken bis sieben Sekunden Länge oder bis zu dreißig Worte aus Texten stets ungefragt übernommen werden dürfen, sind ebenso weit verbreitet wie unzutreffend. Der Umfang eines Werkteils ist allenfalls eines von mehreren Indizien, an denen sich die Rechtsprechung bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit orientiert.
Die Einschätzung, ob Werke oder Werkteile geschützt, ob sie (ausreichend) individuell sind, wird dadurch erschwert, dass die Rechtsprechung an die Schöpfungshöhe der einzelnen Werkarten unterschiedliche Anforderungen stellt. So sind die Schutzvoraussetzungen z. B. für wissenschaftliche Texte strenger als bei Romanen oder Gedichten. Auch „Werke der angewandten Kunst“ (wie z. B. das „Zweckdesign“ von Möbeln oder Kraftfahrzeugen) unterliegen strengeren Anforderungen an die Schutzfähigkeit als etwa „Werke der bildenden Kunst“ (wie
2 Denkbar ist ein Schutz von Werken, an denen mangels Individualität kein Urheberrecht besteht, z. B. über das Titelschutz- oder das Geschmacksmusterrecht. Titelschutzrechte beispielsweise werden für Werktitel gewährt, also die Bezeichnungen von z. B. Romanen oder Fernsehsendungen. Das Titelschutzrecht bedingt dabei keine „Individualität“ i. S. d. Urheberrechts, sondern „Unterscheidungskraft“. Da an Werktiteln (z. B. „Tagesschau“ oder „Harry Potter“) in der Regel mangels sprachlicher Individualität kein Urheberrecht besteht, kommen für den Schutz von Werktiteln meist nur Titelschutzrechte (oder u. U. auch Markenrechte) in Frage. 3 Weitere verwandte Schutzrechte bestehen (z. B.) an Darbietungen von ausübenden Künstlern (z. B. Musikinterpretationen oder schauspielerischen Leistungen), an Tonträgern (also Musikproduktionen), Filmproduktionen oder digitalen Datenbanken.
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Gemälde, Plastiken und andere Kunstwerke). Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. Hinter der erhöhten Schöpfungshöhe bei wissenschaftlichen Werken etwa steht der Gedanke, dass an diesen ein besonderes Freihaltebedürfnis besteht. Dies führt zu einer restriktiveren Anerkennung von Urheberrechten, damit die Verwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht über Gebühr behindert wird4.
1.3 Kein Urheberrechtsschutz für Ideen oder Konzepte
Das Urheberrecht besteht nur an Gestaltungen, nicht aber an Ideen, Konzepten, Methoden, wissenschaftlichen Erkenntnissen, Naturgesetzen oder Stilen. Schutzgegenstand ist immer nur eine konkrete Ausprägung eines geistigen Inhalts oder einer Idee. Beispiel 1: Was ist urheberrechtlich (nicht) geschützt? Die didaktische Konzeption einer Lehrveranstaltung ist für sich genommen nicht urheberrechtlich geschützt. Geschützt kann allenfalls (individuelle sprachliche Ausgestaltung einmal vorausgesetzt) ein auf dieser Basis ausgearbeitetes Konzept in seiner sprachlichen Ausgestaltung sein (Schutz als Sprachwerk). Orientiert sich also ein Modul-Entwickler bei der Konzeption seiner Lehrveranstaltung an einem didaktischen Konzept, das er im Internet gefunden hat, ist dies keine Urheberrechtsverletzung. Nur wenn er das Konzept in seiner konkreten sprachlichen Ausgestaltung übernimmt (z. B. abschreibt) und einsetzt, kann dies unter Umständen rechtswidrig sein5. Gleiches gilt beispielsweise für den Stil, eine Gitarre zu spielen. Auch wenn der Stil von Jimi Hendrix einmalig und in hohem Maße originell [gewesen] sein mag, ist es niemandem untersagt, ihn zu imitieren. Erst wenn Songs nachgespielt oder einzelne Passagen in eine Neukomposition übernommen werden, berührt dies die Urheberrechte des Künstlers (bzw. in diesem Fall seiner Erben).
4 Hinzu kommt, dass die Fachsprache den Gestaltungsspielraum bei der Formulierung eines wissenschaftlichen Textes – anders als etwa bei einem Roman – häufig stark einschränkt. Würde der urheberrechtliche Schutz dennoch voll durchgreifen, wäre im Extremfall denkbar, dass einer Autorin ein umfassendes Monopol auf eine wissenschaftliche Erkenntnis verliehen würde, weil sich diese nur mit ganz bestimmten Worten beschreiben lässt. Das wiederum ist nicht Ziel des Urheberrechts. 5 In der Regel wird der Gestaltungsspielraum bei der Formulierung einer Gliederung jedoch zu gering sein, um die erforderliche Schöpfungshöhe zu erreichen. Dann wäre auch die Formulierung frei von Urheberrechten.
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