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11.1.2 Einführung eines QMS

Die international geltende Norm DIN EN ISO 9001:2008-12 ist die am weitesten verbreitete, und darüber hinaus auch am meisten zertifizierte Norm. Daher dient sie in den nachfolgenden Erläuterungen und Beispielen als Leitfaden der zu beachtenden Themen und Maßnahmen. Nachfolgend finden Sie zu den wesentlichen Inhalten der DIN EN ISO 9001 einige Erläuterungen zur Umsetzung der Normanforderungen.

• Verantwortung der Leitung
Eine der wichtigsten Aufgaben des Managements ist es, die langfristige Lebensfähigkeit eines Unternehmens zu sichern. Basis von Erfolg ist es, Visionen zu haben und diese mittels Strategien erfolgreich zu realisieren. Klare Zielvorgaben tragen dafür Sorge, dass auf allen Ebenen eines Unternehmens bekannt ist und verstanden wird, worin der persönliche Beitrag jedes Einzelnen zum Unternehmenserfolg liegt.


Abb. 11.1.4: Elemente eines erfolgsorientierten Managements (Quelle: Eigene Darstellung)

• Kundenorientierun
Der möglicherweise wichtigste Erfolgsfaktor für Unternehmen ist die Kundenorientierung. Hier geht es nicht darum, „König Kunde“ alles zu ermöglichen. Vielmehr geht es darum, zu erkennen und zu verstehen, was der Kunde für seinen Erfolg wirklich benötigt. Diese Betrachtungsweise ermöglicht einem selbst, ein besseres Verständnis zu entwickeln und somit passende Lösungsansätze zu entwickeln.

Zur Kundenorientierung zählt nicht nur der Blick auf den „externen“ Kunden. Auch im Inneren eines Unternehmens existieren Liefer- und Abnehmerbeziehungen. Ein Bewusstsein für diese Tatsache hilft, Schwachstellen der Organisation aufzudecken und Reibungspunkte – und damit Kosten – zu eliminieren. In diesem Sinne ist jeder Mitarbeiter Kunde und Lieferant zugleich, von Abteilung zu Abteilung und von Mitarbeiter zu Mitarbeiter!

• Qualitätspolitik
Unternehmensziele und daraus abzuleitende Handlungsanweisungen nur auf der Managementebene bekannt zu machen, hilft nicht wirklich. Nur wenn für alle Prozessbeteiligten (Mitarbeiter) transparent ist, was die Grundsätze und Ziele des Unternehmens sind, ist für jeden nachvollziehbar, welche Erwartungen an ihn gestellt werden.

• Qualitätsziele


Abb. 11.1.5: Voraussetzung für eine gute Qualität ist, dass jeder im Unternehmen weiß, was von ihm erwartet wird. (Quelle: Eigene Darstellung)

Führen mit Zielen über alle Organisationsebenen hinweg, das ist eine wesentliche Normenanforderung. Nur klar kommunizierte und vor allem vereinbarte Ziele ergeben die Chance, erfolgreich zu sein. Das gilt für den Vorgesetzten ebenso wie für den Mitarbeiter. Voraussetzung ist, dass Ziele nicht nur schriftlich fixiert und vereinbart sind, sondern auch kontinuierlich verfolgt werden.


Abb. 11.1.6: Führen mit Zielen und Kennzahlen (Quelle: Eigene Darstellung)

Ziele sollten SMART sein:

S spezifisch = konkret
M messbar   = Quantität, Qualität, Kosten
A akzeptiert  = begründet, vereinbart
R realistisch = durchführbar, ressourcenverfügbar
T terminiert  = Start-, Zwischen- und Endtermin

• Verantwortung, Befugnis und Zuständigkeiten
Wer ist wofür verantwortlich? Diese Frage lässt sich einerseits leicht und eindeutig beantworten. Im Zweifel ist es immer die rechtlich verantwortliche Unternehmensleitung – also das oberste Management. Mittleres sowie unteres Management und Mitarbeiter übersehen dabei oft, dass auch sie eine Reihe von Verantwortungen tragen und den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens mit beeinflussen. Ein gravierender Fehler eines Einzelnen kann zum Verlust eines Kunden und somit zum Verlust von Aufträgen und Arbeitsplätzen führen. Hinzu kommt, dass Unternehmen mit zunehmender Größe komplexer werden. Eine wesentliche Voraussetzung für das Vermeiden von Fehlentscheidungen oder auch Fehlern ist, dass Aufgaben und Verantwortung eindeutig festgelegt und Befugnisse klar geregelt sind. Dies geschieht einerseits mittels Unternehmens- und Abteilungsorganigrammen und andererseits mithilfe von Stellenbeschreibungen.


Abb. 11.1.7: beispielhafte Arbeitsteilung in einem Unternehmen (Quelle: Eigene Darstellung)

• Interne Kommunikation
Ob Management oder Mitarbeiter: Damit alle im Unternehmen ihren Teil der Verantwortung tragen können, müssen sie hinreichend über den jeweils zu verantwortenden Prozess beziehungsweise die eigenen Aufgaben informiert sein. Daher ist es wichtig, dass ein Kennzahlensystem etabliert ist, welches allen Ebenen die hinreichenden Informationen liefert. Diese Kennzahlen müssen durch eine effektive interne Kommunikation bekannt gemacht werden.

Inhalte können sein: Auftragsvolumen, Werksauslastungen, Qualitätskennzahlen über interne und externe Beschwerden und Schwerpunkte, Schichtpläne, Veränderungen im Unternehmen usw.

• Management von Ressourcen
Zur Herstellung eines Produktes oder zur Erbringung einer Dienstleistung werden Ressourcen benötigt. Hierunter fallen:

• Kapital, um Ressourcen beschaffen und bezahlen zu können,
• Menschen mit bestimmten Qualifikationen und Fähigkeiten,
• Maschinen, Einrichtungen, Gebäude sowie
• Materialien, Roh- und Hilfsstoffe usw.

In welcher Ausprägung und Umfang bestimmen Unternehmensziele die Marktposition? Wenn ein Packmittelhersteller zum Beispiel für die kosmetische Industrie arbeitet, so benötigt er in der Regel komplexere Maschinen, die aufwendigere Rohstoffe bearbeiten können. Er braucht aber auch Facharbeiter mit einem sehr speziellem Wissen und einem sehr ausgeprägten Qualitätssinn. Völlig anders sieht es bei einem Hersteller aus, der Graukartonagen fertigt. Diese Beispiele zeigen, wie wichtig die nachfolgende Frage ist:

„Was benötigen wir wirklich zur Erreichung der Unternehmensziele?“

Das Management von Ressourcen plant und steuert was, wann und wie benötigt wird:

• Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortungen, Schulung
In welchem Umfang die Ressource „Mensch“ mit welcher Qualifikation benötigt wird, wurde im vorherigen Abschnitt behandelt.

Voraussetzung für einen reibungslosen und verlustfreien Ablauf in einem Unternehmen sind klare Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen (AKVs) der jeweiligen Abteilung wie auch des Mitarbeiters.

Die Zuordnung einer Einheit, eines Bereiches oder einer Abteilung ergibt sich zunächst aus Organigrammen. Die AKVs sind üblicherweise geregelt in:

• Aufgabenbeschreibungen,
• einer Kompetenzmatrix sowie
• Stellenbeschreibungen.

Zur Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kompetenzen sind laufende Schulungen beziehungsweise Weiterqualifizierungen zu planen.

• Produktrealisierung und kundenbezogene Prozesse

„Kann das Produkt in der geforderten Zeit, in einer anforderungsgerechten Qualität und in der festgelegten Menge hergestellt werden?“


Abb. 11.1.8: Die Führung eines Unternehmens setzt umfassende interne Kommunikation voraus. (Quelle: Eigene Darstellung)

Diese Grundsatzfrage muss jedes Unternehmen vor der Annahme eines Auftrages beantworten. Die Prüfung auf Realisierbarkeit behandelt folgende Fragestellungen:

• Hat der Auftraggeber seine Anforderungen hinreichend spezifiziert?
• Was stellt der Kunde wann und wie bei?
• Habe ich die entsprechenden technischen Voraussetzungen?
• Habe ich die richtigen Fachleute in ausreichender Anzahl?
• Habe ich die Kapazität zum erforderlichen Zeitpunkt?
• Sind die entsprechenden Materialien verfügbar?
• Kann ich den Auftrag zu dem zu erzielenden Preis auch herstellen?
• Ermittlung der Anforderungen in Bezug auf das Produkt

Die beschriebene Prüfung auf Realisierbarkeit eines Produktes ist eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme eines Auftrages. Genauso wichtig ist aber auch, allgemeine Forderungen des Kunden abzustimmen und mit den eigenen Bedürfnissen in Einklang zu bringen. Dabei geht es unter anderem um:

• Liefer- oder Rahmenverträge mit den Pflichten beider Parteien zum vereinbarten Geschäft sowie damit verbundene Haftungsfragen,
• Qualitätssicherungsvereinbarungen über Art und Umfang der Qualitätsspezifikation, deren Prüfungen und Fehlerklassifizierungen,
• Spezifikationen seitens des Auftraggebers wie auch des Auftragnehmers,
• Art und Umfang der Auftragsannahme und -bestätigung usw.,
• Kommunikation mit den Kunden.

Nicht empfehlenswert ist es, nur in Notfällen miteinander zu reden. Eine offene Kommunikation – und zwar nicht nur intern, sondern vor allem auch gegenüber dem Kunden – klärt Probleme bereits in der Entstehungsphase. Dies trifft nicht nur zu, wenn die Anlieferung zum vereinbarten Zeitpunkt gefährdet ist. Auch bei Qualitätsproblemen kann eine rechtzeitige Information und gemeinsame Abstimmung über die weitere Vorgehensweise Missstimmungen und Beschwerden im Vorfeld vermeiden helfen.

Neben etwaigen Problemen ist Kommunikation aber auch gefragt, wenn es zum Beispiel erhebliche Veränderungen beim Lieferanten gibt. Im Sinne von Change-Control sollten daher frühzeitige Informationen gegeben werden, insbesondere dann, wenn die Qualität beeinflusst werden könnte.

Folgende Sachverhalte können dazu Anlass geben:

• Einsatz von Unterlieferanten,
• Änderungen bei Materialien,
• neue oder wesentlich geänderte Fertigungstechniken sowie
• neue Herstellorte oder wesentliche Gebäudeänderungen.

• Beschaffung
Qualität kann nur so gut sein, wie sie auch das schwächste Glied in der Kette liefern kann. Eine angemessene Lieferantenqualifizierung ist daher unumgänglich, gleich ob Kunden- oder Normforderung. Dies muss schon im eigenen Qualitätsanspruch zementiert sein.

Unter „Lieferantenqualifizierung“ wird heute verstanden:

a) Definition der eigenen Anforderungen in allen Belangen (Lieferperformance, Anlieferspezifikationen, Lieferversorgung, Zertifikate etc.)
b) Auswahl und Bewerten möglicher Lieferanten mit Abschluss von Liefer- und Qualitätssicherungsvereinbarungen
c) Testläufe vor der Erstlieferung einschließlich der Bewertung
d) regelmäßige, periodische Bewertung der Lieferperformance
e) Auditierung, um zu verifizieren, dass das vereinbarte Qualitätssicherungssystem auch existiert.

• Produktion und Dienstleistungserbringung
Konzerne, aber auch viele mittelständische Unternehmen, haben Lean Management als geeigneten ideologischen Ansatz zur Verbesserung der Prozesse erkannt und etabliert. Neben den Grundprinzipien, dass Fließen, Takten und Ziehen für einen reibungslosen Fertigungsfluss sorgen, findet auch zunehmend das Null-Fehler-Prinzip Anwendung. Folgende Begriffe dienen in der Prozesssteuerung zur Vermeidung von Qualitätsproblemen und damit zur Eliminierung von Verschwendung:


Abb. 11.1.9: Qualitätskriterien im Lean Management (Quelle: Eigene Darstellung)

Basis für eine qualitativ fehlerfreie Fertigung ist eine eindeutige und leicht verständliche Auftragsdefinition/-beschreibung.

Inprozesskontrollen (IPC) sollten beinhalten:

• Linienreinigung/Line Clearance,
• Produktionsfreigabeprüfungen,
• Funktionstests der Prüfsysteme, zum Beispiel Codeleser, Kamerasysteme,
• Bilanzierung der eingesetzten und abgelieferten Mengen,
• Freigabe zur nächsten Bearbeitungsstufe sowie
• Dokumentation und Aufzeichnungen über besondere Probleme.

Qualitätsprüfungen erfolgen heute üblicherweise in Selbstprüfung, also in Eigenverantwortung durch den ausführenden Mitarbeiter. Dies setzt voraus, dass den Mitarbeitern auch die entsprechenden Prüfmittel zur Verfügung stehen, diese regelmäßig qualifiziert sind, und vor allem, dass sie ausreichend und regelmäßig in deren Anwendung unterwiesen wurden.


Abb. 11.1.10: Qualitätsprüfung (Quelle: Eigene Darstellung)

• Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit
Die „Geschichte“ eines Auftrages, also alle damit verbundenen Tätigkeiten, eingesetzten Materialien, durchgeführten Prüfungen und Entscheidungen muss aufgezeichnet werden. Diese Aufzeichnungen werden in der Regel als Auftrags- oder Batchdokumentation bezeichnet.
Aufzeichnungen dienen im Falle etwaiger Probleme der Ursachenforschung. Im Falle von Kundenbeschwerden können sie ein Unternehmen auch entlasten, da sie die Durchführung der Prüfungen mit entsprechenden Ergebnissen nachweisen und belegen.

"Leitfaden zur Rückverfolgbarkeit", bereitgestellt von Keyence.

• Eigentum des Kunden
Häufig stellt der Kunde Produkte (Muster, Materialien, Werkzeuge etc.) einem Auftrag bei. Da dies sein Eigentum ist, hat der Auftragnehmer eine besondere Verantwortung im Umgang mit diesen Produkten. Übersehen wird nicht selten, dass beigestellte Spezifikationen, Druckdaten oder andere Dokumente auch beigestellte Produkte sind und dass hierfür eine besondere Sorgfaltspflicht besteht.

• Kundenzufriedenheit
Wie zum Eingang des Kapitels erläutert, ist die Kundenzufriedenheit die wichtigste Basisdimension, um nachhaltig Geschäfte vornehmen zu können. Der beste Beleg für Kundenzufriedenheit: Der Kunde, und nicht das Produkt, kommt zurück. Messgrößen für den Grad der Kundenzufriedenheit sind Kundenbeschwerden und Lieferperformance.
Bei der Kundenzufriedenheit geht es darum, bewusst ein Kunden- und Lieferantendenken zu entwickeln und zu fördern. Diese Denk- und Handlungsweise lässt sich aber auch intern anwenden, um das gegen-seitige Verständnis zu fördern.

„Jeder Mitarbeiter ist Kunde und Lieferant zugleich, von Abteilung zu Abteilung und von Mitarbeiter zu Mitarbeiter!“

• Verbesserung Korrektur-/Vorbeugemaßnahmen
Trotz eines hohen Grades an Sicherheit passieren nach wie vor Fehler. Einer der wichtigsten Grundsätze ist:

„Fehler müssen aufgezeigt, deren Ursachen ermittelt und nachhaltig abgestellt werden.“

Ein dokumentiertes Verfahren muss eingeführt werden zur:

• Ermittlung potenzieller Fehler,
• Fehlerbewertung,
• Ermittlung der Ursachen von Fehlern,
• Beurteilung des Handlungsbedarfs, um das Auftreten zu verhindern,
• Ermittlung und Verwirklichung der erforderlichen Maßnahmen,
• Aufzeichnung der Ergebnisse der ergriffenen Maßnahmen und
• zur Bewertung der Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen (Nachhaltigkeit).

Qualitätsverbesserung ist nur möglich, wenn über Fehler und deren Ursachen offen gesprochen wird.

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