Schriftwahl

Wer immer vor der Entscheidung steht, eine Schrift auszuwählen, muss sich bestimmte Überlegungen machen, gleich für welches Produkt, gleich ob für Print oder Web.

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Zielgruppe und Zielsetzung

Zielsetzung

Zunächst muss man sich über das Produkt bzw. die Dienstleistungen, die man mit der Gestaltung vorstellt, informieren, über die Zielgruppe und die Zielsetzung klar werden. Bei der Zielsetzung einer Gestaltung geht es meist um zwei Kategorien, Information oder Werbung. Bei Werbung wird immer versucht, den Leser/ die Leserin zu einer bestimmten Aktion zu bringen. Entweder den Kauf eines Produktes, Inanspruchnahme einer Dienstleistung, Besuch eines Konzerts, Museums oder Ähnliches.


Zielgruppe

Bei der Zielgruppe muss man zunächst unterscheiden, zwischen Leser/innen, die man zum Lesen bringen will und welche, die von sich aus Lesen, da sie an einer bestimmten Information interessiert sind. Auch spielt es eine Rolle, ob die Gestaltung Kinder, junge Leute oder ältere Menschen ansprechen soll, das heißt für sie gut lesbar ist. Und für Sehbehinderte gelten wieder andere Kriterien für Lesbarkeit.

Produktnähe

Produktnähe

Auch das »Thema« der Gestaltung spielt eine Rolle bei der Schriftwahl. Eine Anzeige für eine Baufirma in einer englischen Schreibschrift zu gestalten wäre mehr als unangemessen. Doch meist ist die Entscheidung nicht so eindeutig, wie bei diesem extremen Beispiel, das ja direkt einleuchtet.

Textmenge

Textmenge

Die Textmenge, die zu setzen ist, ist auch ein nicht zu unterschätzender Faktor. Handelt es sich um ein Plakat oder eine Anzeige, die hauptsächlich mit Headlines und wenig Grundtext arbeitet, kann die Schriftwahl anders gewichtet sein als bei einem Fachbuch. Während beim ersten Fall mehr auf die Schaffung von Aufmerksamkeit mittels Schrift Wert gelegt wird, ist für ein Fachbuch die Lesbarkeit der Schrift wichtiger.

Im Allgemeinen kann man sagen, je länger der Text und die benötigte Lesezeit ist, desto entscheidender ist die Lesbarkeit. Bei Plakaten, Headlines etc. kann eine Schrift, die extravagant ist, aber dafür schlechter lesbar, trotzdem ihren Einsatz finden.

Auch ob ich mit der ausgewählten Schrift so viel Text auf den meist vorgegebenen maximalen Seiten unterbringe spielt eine Rolle.

Antiqua- vs. Groteskschriften

Antiqua vs. Grotesk

Bei der Lesbarkeit heißt es oft auch, daß Antiqua-Schriften – also solche mit Serifen – besser lesbar seien als Grotesk-Schriften. Die Serifen verbinden die Buchstaben und helfen dem Auge, die Wörter zu erkennen. Als Inbegriff der Leseschrift gilt vielerorts die Stempel Garamond.

Aber das Leseverhalten hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten auch in Richtung Grotesk-Schriften geändert, so dass für viele auch verschiedenen Groteskschriften als gut lesbar empfunden werden.

Vor allem Groteskschriften, die nicht konstruiert sind und sich mehr an der Antiqua orientieren, sind sehr gut lesbar. (Syntax, Gill, Officina etc.)

Aufmerksamkeit oder Langeweile

Beachtung oder Langeweile

Kommen wir nun zu dem Punkt der Auffälligkeit bzw. Besonderheit der Schrift im Vergleich zu anderen Schriften, denn schließlich soll sich das gestaltete Produkt, gleich ob Print, Multimedia-CD-ROM oder Website, auf allen Ebenen von seinen Konkurrenten positiv absetzen. So ist es immer noch eine gewisse Unart, fast ausschließlich mit den sogenannten Systemschriften, die mit den Rechnern mitgeliefert werden zu arbeiten, die sind auf Grund ihrer Verbreitung mehr als abgegriffen sind. Allen voran Helvetica/Arial bzw. Times/Times New Roman.

Schriftwahl bedeutet bewußt auswählen und sich entscheiden, und nicht die erstbeste vorinstallierte Schrift wählen.
Auch eine Reihe andere Schriften gelten als abgegriffen und langweilig. Hier eine Auswahl aus dem Buch Mediendesign von Ralf Turtschi:

  •     Avant Garde
  •     Times
  •     Helvetica
  •     Palatino
  •     Franklin Gothic
  •     Zapf Chancery
  •     Futura
  •     Univers
  •     Bodoni
  •     ITC Garamond


Als unverbrauchte Alternativen gibt er einige Vorschläge:

  •     Meridien
  •     PMN Caecilia
  •     Weidemann
  •     Veljovic
  •     Walbaum
  •     Bell Centeniell
  •     Italia
  •     Minion
  •     Myriad
  •     Officina Sans
  •     Meta
  •     Avenir
  •     Clearface Gothic
  •     Eurostile
  •     Formata
  •     Imago
  •     Serpentine
  •     Syntax
  •     Vectora


Doch meiner Meinung nach gibt es hier auch bereits einige abgegriffene Schriften, wie die Meta, Eurostile und Serpentine.

Und man sollte nicht vergessen, dass es zumindest für Headlines oder auch Plakatschriften noch die Möglichkeit gibt, auf klassische Techniken zurückzugreifen. Warum sollte eine Plakatheadline nicht mit der eigenen Handschrift, Linoldruck, aus ausgeschnittenem Papier, Kartoffeldruck oder Ähnlichem gestaltet werden? Natürlich muss auch dies zum Gesamteindruck passen.

Ausbau der Schrift und Schriftsippen

Schriftausbau

Für Schriften ist es vor allem im Corporate Design (CD) wichtig zu prüfen wie gut die Schrift ausgebaut ist.
Das bedeutet: hat die Schrift genügend Schriftschnitte, um alle Auszeichnungen in der Gestaltung abzudecken. Normal sind Schnitte wie roman, italic, bold, bold italic.

Für CDs benötigt man aber meist mehr Schriftschnitte wie zum Beispiel echte Kapitälchen, Condensed oder Extended, magere und fette Schnitte bishin zu Ligaturen und speziellen Mediäval-Ziffern.

 

Schriftsippen

Gut eigenen sich auch sogenannte Schriftsippen. Das bedeutet, das es von der Anmutung die gleiche Schrift als Grotesk und Antiqua gibt. Bei bestimmten Schriftsippen gibt es neben diese beiden auch noch Serifenbetonte und andere Untergliederungen.

Als Beispiel für Schriftsippen gibt es die Thesis, Rotis, Stone.

Schriften mischen

Schriftmischung

Wenn man sich nicht gerade auf Schriftsippen beschränkt, steht man bei der Gestaltung meist auch vor dem Problem der Schriftmischung. Als allgemeine Regel gilt, mische keine Schriften aus der gleichen Schriftgruppe. Also keine Grotesk mit einer Grotesk – Helvetica mit Futura –, da die Unterschiede der Schriften bei den Leser/innen als zu gering erkannt werden und dann eher einen unruhigen und nicht nachvollziehbaren Eindruck schaffen.

Schlußbemerkung

Auch sollte man sich als Gestalter/in über die Weiterverarbeitung Gedanken machen und welche Einflüsse Bedruckstoffe und Druckverfahren bzw. Ausgabemedien auf die Erkennbarkeit der Schrift haben.

So sind zum Beispiel klassizistische Antiquas für rauhes Naturpapier, Wiedergabe am Monitor, Zeitungsrotationsdruck oder für den Siebdruck als Lesetextschrift ungeeignet, da die feinen Strichstärken bei der Ausgabe nicht mehr richtig dargestellt werden können. Dieses Problem kann insgesamt bei allen feinen Serifen entstehen. Nicht umsonst wurden für den Zeitungsrotationsdruck Antiquas mit bewusst kräftigeren Serifen entwickelt.

 

Ich hoffe, dass diese Ausführungen euch etwas weiterhelfen. Wer hier ein genaues Kochrezept für die Schriftwahl erwartet hat, liegt allerdings falsch. Denn fast alle Allgemeingültigkeiten versagen in der Praxis, da man jeweils alle Einflüsse und möglichen Widrigkeiten prüfen muss und sich dann entscheidet.

Oft sind die Entscheidungen für bestimmten Schriften auch ein Kompromiß zwischen den einzelnen Faktoren.


Wichtig ist es auch – bei Schriften für Printprodukte – sich diese in unterschiedlichen Schriftgrößen und Schnitten auszudrucken, um ihre Wirkung besser bewerten zu können, da der Bildschirm meist einen falschen Eindruck schafft.


Ebenso gilt, sich vor dem Anwerfen des Rechners Gedanken zu machen und nicht einfach darauflos zu gestalten.

Literarturhinweise

Literaturhinweise 

  •     Mediendesign, (Ralf Turtschi), Niggli Verlag
  •     Praktische Typografie, (Ralf Turtschi), Niggli Verlag
  •     Schriften erkennen, (Suthoff, Willberg, Wendt) Verlag Hermann Schmidt
  •     Erste Hilfe Typografie, (Willberg und Forssmann), Verlag Hermann Schmidt
  •     Typo Atlas, (Günther Schuler), Smart Book Verlag
  •     TYPO – Wann Wer, Wie? (Friedl, Ott und Stein), Verlag Könemann
  •     Insiderbuch Typedesign, (Sean Cavanaugh), Midas Verlag